Der Geißbrunnen

Sinnbild für den Spitznamen der Kipfenberger

Der Kipfenberger Geißbrunnen befindet sich am Beginn der Eichstätter Straße, bei der Einmündung der Bachgasse, gegenüber der St.-Georgs-Kirche.  Er besteht aus einem rechteckigen Wasserbecken, in dem sich auch der eigentliche Brunnen befindet. Auf einer Seite hängt ein tonnenschwerer Findling aus Juradolomit über den Beckenrand. Darauf steht eine etwa lebensgroße Geiß aus Bronzeguss. Erschaffen vom Künstler Professor Erich Koch, wurde sie an der Münchener Akademie der Bildenden Künste gegossen und  

am 4. April 1969 aufgestellt.  Die Ziege und die Goaßhenker Aber warum hat man sich ausgerechnet für eine Ziege als Zierde des Brunnens entschieden? Nun, die Frage nach dem Tier ist einfach zu beantworten, zum Wort „entschieden“ kommen wir später.

Wie viele Gemeinden im Altmühltal müssen sich auch die Kipfenberger mit einem Spitznamen abfinden. Sie werden nämlich die Geißhenker genannt, oder auf Bayerisch „die Goaßhenker“. Warum das so ist, erfahren wir schon andeutungsweise von einer Tafel unten am Findling. Darauf steht: „A Goass habn ma dahenkt zweng dem Gras auf da Mauer und a Bronzgoass habn ma eich g’schenkt zweng unsara Goasshenkatrauer“.

Die „Kipfenberger Marktfrauen“ finanzierten 1996 eine Tafel am Brunnen, auf der zu lesen steht, wie die Kipfenberger zu ihrem Spitznamen kamen.  Der Text von Dr. Elmar Ettle ist die verkürzte Version einer Aufzeichnung von Karl Kugler aus dem Jahr 1868. In dessen Buch „Die Altmühlalp“ hat er die wohl mündliche Überlieferung der Geschichte festgehalten: „In dem damaligen Kastenhause war ein Bild aufgehangen, in welchem die Szene dargestellt war, wie ein Schneider eine todte Geiß über die Mauer des Marktes hinauswerfen wollte, sich aber mit einem Knopfloche im Horn des Tieres verfing, so daß die Geiß außerhalb der Mauer, der Schneider innerhalb derselben hing. Das soll zu dem Spottnamen der Kipfenberger „Geißhenker“ Anlaß gegeben haben, oder ist vielleicht die bildliche Darstellung dieser Neckerei gewesen. Da sie aber nicht wohl passt, so ist eine andere Erzählung wahrscheinlicher und dem Volkshumor angemessener. „Die Kipfenberger kamen, weil Frieden im Lande war, die ganze Zeit nicht auf ihre Ringmauer. Da bemerkten sie mit Staunen,daß schönes Gras droben gewachsen sei, und meinten, das sei ein köstliches Futter für eine Geiß. Nach vielfachem Wortstreite wurde beschlossen, es solle eine Geiß auf die Mauer gezogen werden, damit sie das Gras abfresse. Gesagt, gethan. Man legte einer Geiß einen Strick um den Hals, den man oben befestigt hatte, und zog sie mit allen Kräften empor. Das Tier wurde dadurch erwürgt, und es hing ihm die Zunge lang aus dem Maule. Sie schmeckt (riecht) schon’s Gras, riefen Einige freudig. Aber sie fraß nicht, und als man näher zusah, war sie todt.“

Keine einfache Entscheidung Mit der Entscheidung, diesen Brunnen aufzustellen, konnte es sich der Markgemeinderat nicht leicht machen, denn es gab viel Kritik an diesem Projekt.

Am 30. Dezember 1968, in der letzten Sitzung des Marktgemeinderates des Jahres, wurde dann doch die Beauftragung des Brunnendenkmals beschlossen.    Davon berichtet der Kipfenberger Ehrenbürger Hubert Hopfner in einer Glosse im Eichstätter Kurier vom 30. Juli 1968: „Es ist gottseidank nicht meßbar, wie viele zuwiderwurzige Worte zum Bau des ersten Zierbrunnens in Kipfenberg als eines ‚völlig nutzlosen Zeugs‘ in der Marktgemeinde gemeckert wurden…..“.  Hopfner befürwortet die Entscheidung zum Brunnen als „längst fällig“, zeigt Respekt für den Mut des Gemeinderates in einem Jahr besonderer Belastungen in Kipfenberg und kritisiert den mangelnden Humor mancher aus der Bürgerschaft.

Durch großzügige Spenden musste die Gemeinde von den 7000,- Mark Gesamtkosten für den Bronzeguss nur noch 1000,- Mark selbst aufbringen. Nach der Aufstellung der Bronze fanden sich nun auch wieder welche, die herumzumeckern hatten. Und so musste Bürgermeister Haderer in der Bürgerversammlung im Mai 1969 noch einmal auf das Thema eingehen und bat den bekannten Kipfenberger Kunstmaler C.O. Müller um ein Wort zur Sache. Im Bericht des Eichstätter Kuriers ist zu lesen: „Er bezeichnete die Geiß als ein hervorragendes Kunstwerk, das genug abstrahiert sei, um in hundert Jahren noch als gelungenes Werk zu gelten. Wer die Geiß so haben wolle, wie sie frei herumläuft, müsse ein leibhaftiges Tier nehmen und ausstopfen. Aber dann sei es auch kein Kunstwerk mehr. Die Natur bilde nur die Anregung, die Hand des Künstlers müsse aber das Wesentliche herausgestalten und das Unwesentliche übergehen…..“

Die Unruhe hat sich erfreulicherweise bald gelegt und der Geißbrunnen ist aus Kipfenberg nicht mehr wegzudenken. Mehrfach im Jahr steht er im Mittelpunkt schöner Veranstaltungen, und wenn beispielsweise im August zur Zeit des Limesfestes der traditionelle Frühschoppen stattfindet, denkt niemand an die Ärgernisse der Anfangszeit. Die Geiß wurde im Laufe der Jahre zu einem der Kipfenberger Wahrzeichen und zier mittlerweile auch so manchen Vorgarten.

Text: Werner Kränzlein, 14.02.2025 

Sprecher: Werner Kränzlein 

Produktion: Landvilla-Audio Kipfenberg 

Mit freundlicher Unterstützung durch Dr. Elmar Ettle  

Quellenangaben: 

Kugler, Karl: „Die Altmühlalp, das heißt: das Altmühlthal mit dem Flußgebiete innerhalb seines Berglandes : topographisch, historisch und landschaftlich dargestellt“ Verlag der Krüll’schen Buchhandlung (Ed. Weiß.), 1868 

Eichstätter Kurier vom 30. Juini 1968 (humbus)

Eichstätter Kurier vom 17./18. Mai 1969 (hh)

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